Hören ist ein wichtiger Sinn, ohne den die meisten von uns sich ihr alltägliches Leben gar nicht vorstellen könnten. Doch einige Menschen haben kein funktionierendes Gehör, sei es von Geburt an oder im Laufe ihres Lebens infolge einer Krankheit oder eines Unfalls. In Deutschland leben ca. 80.000 Gehörlose. Doch taub bedeutet keineswegs sprachlos oder stumm. Stattdessen hat sich mit der Gebärdensprache über Jahrhunderte hinweg eine eigene Form der Kommunikation entwickelt. Sie ist ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Bewegungen mit den Händen (Gebärden), Mimik, Kopf- und Körperhaltung, Mundbewegungen sowie „Geräuschen“, die man während des Gebärdens macht.
Wussten Sie, dass es nicht nur eine, sondern zahlreiche Gebärdensprachen gibt? Ähnlich wie gesprochene Sprachen unterscheiden auch sie sich von Land zu Land. Die Amerikanische Gebärdensprache (ASL) etwa funktioniert ganz anders als die Britische Gebärdensprache (BSL), und beide wiederum unterscheiden sich stark von der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Alle Gebärdensprachen haben eigene Zeichen und grammatische Regeln, die sie einzigartig machen. Außerdem gibt es innerhalb eines Landes sogar Dialekte und auch Gebärdensprache für taubblinde Menschen, die den Tastsinn berücksichtigt. Dabei sind die einzelnen Gebärdensprachen den Lautsprachen ebenbürtig. Die DGS beispielsweise ist seit dem Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes 2002 gesetzlich anerkannt. Über Landesgrenzen hinweg verständigen sich Gehörlose mithilfe der International Sign Language (ISL). Diese ist jedoch keine eigene Sprache, vielmehr erfolgt der Austausch über Wiederholungen, Umschreibungen des Sachverhaltes oder übernommene Landesgebärden.
Die DGS benutzt zur Kommunikation eine Kombination aus Handgesten, Gesichtsausdrücken und Körperhaltung. Die einzelnen Gesten, die als Gebärden bezeichnet werden, stehen für bestimmte Begriffe oder Konzepte. Dabei sind die Bewegung der Hand, die Handform, die Handorientierung, die Position der Hand und die Bewegung des Handgelenks wichtig für die Bedeutung der Gebärde. Geformt werden die Gebärden immer mit der dominanten Hand, also der Schreibhand. Natürlich gibt es aber auch Gebärden, die mit beiden Händen ausgeführt werden. Da Gehörlose eine feine Wahrnehmung für Stimmungen und Launen haben, werden außerdem Mimik und Körpersprache als stützende Elemente genutzt. Je nachdem, ob etwa eine Frage mit Ja oder Nein beantwortet wird, erkennt man auch einen Unterschied im Gesichtsausdruck. Es gibt außerdem ein spezielles Fingeralphabet. Dieses kann man nutzen, wenn eine Gebärde nicht bekannt ist oder jemand etwas buchstabieren möchte. In der Gebärdensprachgemeinschaft erhält außerdem jeder seine eigene Namensgebärde, die meist ein Leben lang bleibt. Typischerweise nimmt diese Bezug auf ein spezielles – meist äußerliches – Merkmal der Person.
Gebärdensprachen haben eine eigenständige Struktur und Grammatik. Im Prinzip ist das Erlernen einer Gebärdensprache ebenso komplex wie das Erlernen einer jeden anderen Fremdsprache. Die wohl größte Hürde, gerade für hörende Menschen, ist die zunächst ungewohnte Nutzung von Mimik und Gestik als grammatikalisch relevante Ausdrucksmittel sowie die Fingerfertigkeit zum Formen der Gebärden. Mit etwas Zeit und einer positiven Einstellung ist dies aber durchaus machbar. Es gibt zahlreiche Online-Kurse oder auch Präsenz Angebote, zum Beispiel an Volkshochschulen. Wer lieber autodidaktisch lernt, wird heutzutage natürlich auch auf YouTube fündig. Eine pauschale Angabe zur Dauer des Spracherwerbs lässt sich dabei nicht treffen. Manche Lernende brauchen ein bis zwei Jahre, andere bis zu fünf Jahre, um die Gebärdensprache zu beherrschen. Der Lernprozess kann nicht nur Spaß machen, sondern auch die Welt aus einer anderen Perspektive zeigen. Gebärdensprache verbessert das räumliche Denken und bereichert die Art und Weise, wie wir über Sprache und Kommunikation denken.
Die Welt der Gebärdensprache(n) ist faszinierend und vielseitig, arbeitet sie doch mit einer gänzlich anderen Methode als die gesprochene oder geschriebene Sprache. Dabei ist sie viel mehr als nur Handbewegungen – sie ist eine vollwertige Sprache mit eigenen Regeln. Für die Gehörlosengemeinschaft ist sie lebenswichtig und bildet die entscheidende Brücke für eine gelungene Verständigung. Auch gut hörende Menschen können Sie mit ein wenig Zeit und Mühe genauso erlernen wie jede andere Fremdsprache auch.
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